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Parodontologie - Parodontitis/Parodontose

Die Parodontitis entspricht der Entzündung des Zahnhalteapparats. Hinsichtlich ihrer Entstehung werden ein primärer und ein sekundärer Ursachenkomplex unterschieden. Primär ist die Entwicklung einer Parodontitis gewöhnlich an das Vorhandensein von Biofilm gebunden. Sekundäre Faktoren wie Zahnanatomie, Zahnstellungen sowie Ernährung beeinflussen lediglich die primär durch Biofilm begründete Entzündung.

Die Plaquehypothese
Früher ging man davon aus, dass die reine Menge, in der Bakterien im Biofilm auftreten, für die Pathogenität verantwortlich sei (unspezifische Plaquehypothese). Heute lassen sich bestimmten Erkrankungsarten speziellen Bakterienstämme zuordnen (spezifische Plaquehypothese). Wobei man davon ausgeht, dass bestimmte Bakterienarten sich auf Grund von begünstigenden Faktoren innerhalb der Plaque optimaler vermehren können als andere (opportunistische Infektion).
Die Entwicklung der Parodontitis geht in der Regel mit einer vorherigen Gingivitis einher (Entwicklung Gingivitis). Der Hauptunterschied zwischen der Gingivitis und der Parodontitis liegt in der Beteiligung der Gewebe. Während die Gingivitis auf das Zahnfleisch beschränkt ist, werden bei der Parodontitis der Knochen, das Desmodont (Wurzelhaut) sowie das Wurzelzement mit einbezogen. Kardinalsymptom der Parodontitis ist die parodontale Tasche.


Es lassen sich zwei Hauptformen unterscheiden - die chronische und die aggressive Parodontitis.

Chronische Parodontitis
Die chronische Parodontitis verläuft schubweise. Es ist kein linearer Krankheitsverlauf zu beobachten. Insgesamt verläuft sie vergleichsweise langsam ab. Man unterscheidet zwischen der lokalen (einzelne Zahnflächen) und der generalisierten (mehr als 30% der Zahnflächen betroffen) Form. Innerhalb eines Gebisses können sowohl aktive als auch inaktive parodontale Taschen diagnostiziert werden. Die aktive parodontale Tasche weist übliche Entzündungssymptome auf: Rötung, Schwellung, Blutung auf Berührung. Bestimmte Bakterienarten sind vielzählig vorzufinden. Sie dringen in das parodontale Gewebe vor und zersetzen dieses. Das Immunsystem steuert mit körpereigenen Abwehrreaktionen gegen den bakteriellen Angriff, indem es lokal die Anzahl der Zellen der Immunabwehr erhöht (Leukozyten; z.B. neutrophile Granulozyten, Lymphozyten, Makrophagen). Insgesamt kommt es zu einem erhöhten Attachmentverlust, dem Verlust des parodontalen Stützgewebes. Sowohl Zahnlockerungen und -wanderungen als auch die Zurückbildung der Gingiva, sowie Eiterbildung (Parodontalabszess, umkapselte Eiteransammlung in einer nicht präformierten Körperhöhle) sind mögliche Folgen. Die chronische Form der Parodontitis wird nach dem Grad ihrer Ausprägung in leicht (1-2mm Attachmentverlust), mäßig- schwer (3-4mm) und schwer (größer 5mm) eingeteilt.

Aggressive Parodontitis
Die aggressive Parodontitis tritt weitaus seltener auf. Sie ist gekennzeichnet durch einen extrem rapiden Verlauf und ein erhöhtes Maß an vorwiegend vertikalem Knochenabbau. Frauen sind bedeutend öfter betroffen als Männer. Bemerkenswert ist, dass das Ausmaß der parodontalen Zerstörung der agressiven Form nicht mit erhöhten Plaque- und Zahnstein-Mengen korreliert. Vielmehr wird heute angenommen, dass der genetischen Veranlagung eine hohe Priorität zukommt.
Die aggressive Erkrankungsform kann, wie die chronische Form, lokalisiert oder generalisiert vorliegen.
Die lokalisierte Form tritt meist im jugendlichen Alter (während der Pubertät) auf. Die parodontalen Schäden sind hauptsächlich auf die mittleren Schneidezähne und die ersten Molaren beschränkt.
Die generalisierte Form tritt meist vor dem 35. Lebensjahr auf. Charakteristisch ist der vorwiegend in den Zahnzwischenräumen (approximal) fortschreitende Attachmentverlust.

Risikofaktoren
Die Wahrscheinlichkeit, an Parodontitis zu erkranken, steigt mit verhaltensbedingten Faktoren und/oder allgemeinmedizinischen Vorerkrankungen.
So wird Rauchern ein 5-6-fach erhöhtes Erkrankungsrisiko prognostiziert. Nikotinkonsum wirkt sich negativ auf Funktion und Anzahl der Immunabwehrzellen aus. Verminderte Speichelflussraten bei Rauchern führen außerdem zu vermehrter Plaqueansammlung, da dem Speichel gewöhnlich eine Spülfunktion zukommt.
Chronisch anhaltender Stress korreliert mit Veränderungen der Immunabwehr des Organismus. Außerdem finden in anhaltenden Stressperioden Verhaltensänderungen wie z.B. die Umstellung der Ernährungsgewohnheiten, eingeschränkte Mundhygienemaßnahmen oder Rauchen statt. Diese nehmen sekundär wieder Einfluss auf das Erkrankungsrisiko.
Bei Diabetespatienten liegt ein 3-fach erhöhtes Erkrankungsrisiko vor. Bei vorliegender Hyperglykämie (erhöhter Blutzuckerspiegel) ist ein erhöhter Glukosegehalt im Speichel messbar, welcher sich positiv auf das Plaquewachstum auswirkt.
 
Folgeerkrankungen
Es gibt Hinweise auf Folgeerkrankungen der Parodontitis. Die chronische Entzündung des Zahnhalteapparats steht im Verdacht über Entzündungsmediatoren zu systemischen Entzündungen zu führen, z.B. kardiovaskulären Erkrankungen (Herz-Kreislauf- Erkrankungen). Weiterhin gibt es Hinweise auf eine Korrelation zwischen arteriosklerotischen Veränderungen (Gefäßverhärtung) sowie Gefäßablagerungen und der Parodontitiserkrankung. Außerdem besteht ein Zusammenhang zwischen dem Risiko für Frühgeburten und der Parodontitis. So stehen Entzündungsmediatoren, die gleichzeitig physiologischerweise an der Geburt beteiligt sind, in Verdacht, bei erhöhter Anzahl die Frühgeburt einzuleiten.

Parodontitis feststellen
In der Praxis wird der Parodontitisstatus des Patienten unter Verwendung des Parodontalen Screening Index (PSI) eindeutig diagnostiziert und aufgezeichnet.
Dazu wird das Gebiss in sechs Regionen (Sextanten) eingeteilt. Die Frontzähne und jeweils die Seitenzähne der linken sowie der rechten Kieferhälfte zählen je als ein Sextant. Mittels zahnärztlicher Parodontalsonde werden innerhalb eines Sextanten alle Zähne an bis zu sechs verschiedenen definierten Stellen vermessen. Die Parodontalsonde wird an ihrem Ende farblich in mehrere Abschnitte unterteilt, diese stehen wiederum für einen bestimmten Abstand. Außerdem ist das Ende der Sonde zur Kugel geformt womit sich Unebenheiten am Zahn und an der Wurzel (z.B. Konkremente) ertasten lassen. Es werden je Sextant die tiefste vermessene Tasche sowie Auffälligkeiten wie Blutungsneigung oder Rauigkeit an Zahn und Wurzel dokumentiert. Je nach Taschentiefe kann ein Codewert von null bis vier zugeordnet werden. Dabei entspricht ein Wert von null dem gesunden Parodont, 1 - 2 beschreiben eine vorliegende Gingivitis unterschiedlichen Ausmaßes und 3- 4 beschreiben die mittelschwere bis schwere Parodontitis. Dem Codewert wird dann eine Therapie zugeordnet.
Die Untersuchung wird von unserem speziell geschulten Prophylaxe Personal in wenigen Minuten für den Patienten gewöhnlich schmerzfrei durchgeführt.

Parodontitis behandeln
Das Behandlungskonzept der entzündlich bedingten Parodontitis hängt sehr stark vom vorliegenden Krankheitsgrad sowie dem allgemeinmedizinischen Gesundheitszustand des Patienten ab. Vor jeder Therapie sind eine ausführliche Anamnese und Befundung vonnöten. Die Behandlung lässt sich in drei Phasen unterteilen: die Initialphase, die korrektive Phase und die unterstützende Nachsorge.

Hauptziel der Initialphase ist die Herbeiführung optimaler Mundhygienverhältnisse. Die Durchführung einer professionellen Zahnreinigung ist unabdingbar. Dabei werden die Zahnflächen von supragingivalen Belägen befreit, um das Gebiss für den Patienten mundhygienefähig zu machen. Der Patient erhält Instruktionen für eine individuell auf ihn abgestimmte Mundhygiene, nützliche Hilfsmittel können Zahnseide, Interdentalbürstchen, Zungenschaber etc. sein.
Einhergehend mit der Verbesserung der Mundhygieneverhältnisse müssen kariöse Defekte behoben werden. Diese stellen eine Retentionsfläche für pathogene Bakterien dar. Erhaltungswürdige Zähne, die auf Grund der Parodontitis gelockert sind müssen, geschient werden.
Nach den Vorbehandlungen folgt die eigentliche Parodontitis Behandlung. Dabei sollten supra- und subgingivaler Plaque und Zahnstein mittels scharfen Instruments entfernt werden (Scaling). Wurzeloberflächen, die erheblich von Plaque befallen sind, müssen geglättet werden (Root plaining). Beim Root plaining wird stark infiziertes Wurzelzement unter Zuhilfenahme eines scharfen Instruments abgetragen. Die geglättete Fläche ist bedeutend weniger anfällig für erneute Plaquebesiedlung. Die Behandlungen werden unter lokaler Anästhesie in mehreren Sitzungen durchgeführt.

Die korrektive Phase dient der Wiederherstellung der Form und Funktion der Strukturen des Zahnhalteapparats. In dieser Phase werden Konkremente, die durch vorherige Behandlungsschritte nicht entfernbar waren, nun „unter Sicht“, sichtbar und entfernbar gemacht. Freiliegende Wurzeloberflächen können durch Gingiva- Transplantate abgedeckt werden.

Die nachsorgende Phase sollte durch regelmäßige Kontrolluntersuchungen, erneute Mundhygiene-Instruktionen und professionelle Zahnreinigung geprägt sein.
Bei allen Phasen der Behandlung hat die Mitarbeit des Patienten höchste Priorität.

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